Politik

Wir marschieren für Kohle

Wenn es denn bei unserem Atomkraftwerk endlich wieder mal was zum Demonstrieren gibt, will unsereiner nicht abseits stehen. Vor allem, wenn man von den Behörden in Zeitungsinseraten noch nett dazu aufgefordert wird. Da das Transparentetragen doch etwas ermüdend ist, hab ich mich für ein eigens angefertigtes T-Shirt entschieden, um meinen Beitrag zur freien Meinungsbildung zu leisten (siehe Bilder).

Als ich so kurz nach 11 am Samstagmorgen die Lage auschecken ging, waren die schon alle auf den Beinen. Mit roten Käppchen, Transparente tragend, strebten sie dem Kühlturm zu. Die Einheitstracht irritierte mich etwas, aber ich dachte mir, dort wo die Roten sind, ist’s immer lustig und reihte mich in freudiger Erwartung in den Zug ein. Ich will ja nicht übertreiben, aber mein T-Shirt hat so den einen oder anderen bewundernden Blick auf sich gezogen, wie mir schien.

Nur nicht eitel werden, dachte ich mir, wir sind alle eine grosse Bewegung, wo das Ziel zählt und nicht das Individuum. Die Transparente brachten unsere Anliegen auf den Punkt. „Für Wärme, Kraft und Licht“ etwa, war da zu lesen oder auf einem anderen: „Dunkelheit in unseren Stuben – ohne uns!“. Worte, die an Deutlichkeit wahrhaftig nichts zu wünschen übrig lassen!

Was wäre eine Demo ohne Megafonmann? Früher, vor mehr als 25 Jahren hat an eben dieser Stelle Filippo Leutenegger diese Rolle noch mit Inbrunst gespielt. Diesmal war es ein anderer Typ, aber auch ganz passabel. Er setzte seine ganze Suggestivkraft ein, um das rotbemützte Volk an die rechte Stelle zu lotsen. Es war das hübsche Spiel mit den lebenden Buchstaben. Hier ging das Individuum sozusagen in der kollektiven Message auf. Schade nur, dass man die Worte nur aus grosser Höhe entziffern konnte und im Helikopter kein Platz mehr frei war. So blieb mir das wortgewordene Fleisch verborgen. Dafür konnte ich als Weitsichtiger aus dieser Distanz endlich das grosse Plakat am Kühlturm lesen. Vor allem das 2x Nein sprach mir aus dem Herzen. Mit Neinsagen, so lehrt uns die Erfahrung schliesslich, ist man selten weit vom Mainstream entfernt.

Apropos Fleisch: Nachdem sich das Platzieren der Demonstranten etwas sehr in die Länge gezogen hatte und der Helikopter mit der Kamera nervös in der Luft herumkurvte, lockte der Megafonmann mit Wurst und Bier, was den Vorgang spürbar beschleunigte. Ich muss an dieser Stelle einfügen, dass ich dann doch nicht mit auf das Helikopterbild wollte. Ohne rotes Hütchen hab ich mich irgendwie einfach fehl am Platz gefühlt. Musste dann etwas neidvoll vom Rande aus zusehen, wie die Leute in die Kamera lächelten und auf Kommando ihre roten Ballons mit den trotzigen Nein drauf in den grauen Himmel steigen liessen.
Nach einem kurzen Marsch auf das Gelände des Atomkraftwerkes dann endlich der Wurststand in Sichtweite. Doch der Erfolg der Demo zeigte sich hier in Form einer langen Schlange. Da war für mich der Zeitpunkt gekommen, wieder meine eigenen Wege zu gehen. Wenns um die Wurst geht, bin ich heikel. Womöglich noch mit Gas gegrillt. Dann doch lieber zu Hause in der guten Küche mit Atomstrom was feines Vegetarisches brutzeln.

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