Musik

Zürischnure macht den Song kaputt

Liedermacher Res Wepfer (Pfannestil Chammer Sexdeet) redet mit Martin Schaffner über geili Sieche, Zürischnure und HipHopper.

Res, ich habe die Derniere von "Chronisch" miterlebt und mich zusammen mit dem Rest des Publikums sehr amüsiert. In der Pause hörte ich jemand sagen: Die haben sich in den letzten Jahren aber gemacht! Kannst du etwas zur Entwicklung des Pfannestil Chammer Sexdeet sagen?

Ganz am Anfang waren wir eine Dilettanten-Gruppe. Keiner konnte richtig ein Instrument spielen aber alle gingen mit Inbrunst zur Sache. So nach dem Motto: Niemand ist Sänger oder Schauspieler aber wir finden es wahnsinnig toll! Irgendeinmal kam die Formation mit Simon Hostettler und Peter Rinderknecht. Simon war eben der richtige Konservatorium-Jazzpianist, der hatte das grausam gut drauf und Peter war Schauspieler. Er brachte Sachen auf die Bühne, die Richtung Regie gingen. Da beginnen dann halt die Überlegungen: Wie bringst du das auf die Bühne, damit es auch richtig wirkt. Alles wurde weniger zufällig.

In einem Lied besingst du den Traum nach einer geilen Rockband mit schweinischen Bläsersätzen.

Ja, so richtig tierisch!

Bist du ein verhinderter Rocker?

(Lacht) Das ist so etwas wie ein Traum für mich, aber das soll ein Traum bleiben.

Hast du keine Rock-Vergangenheit?

Nein. Also, in gewissem Sinne schon. Ich habe als Tonmeister gearbeitet und ab und zu Rockbands gemischt. Live oder auch im Studio. Das ist irgendwie schon faszinierend, so "die geile Sieche", die "voll Hahne" abdrücken, so mit dem Fäustlein voraus. Aber ich bin nicht der Typ dazu. Ich werde nie eine Band haben, die so klingt. Ich spiele einfach ein bisschen mit dieser Vorstellung.

Bei eurem Aufritt habe ich keine Sekunde das Schlagzeug oder die verzerrte Gitarre vermisst. Aber auf der CD zum Programm finde ich beides reichlich. Warum eigentlich?

Wir haben ja acht oder neun Jahre keine CD gemacht. Wir haben immer bloss diskutiert, wie man es machen müsste, wenn mans machen würde, sind uns aber in keiner Formation einig geworden. Schlussendlich sind wir dann zur Lösung gelangt: Was wir live machen, wollen wir nicht auch auf CD machen. Wir werden irgendeinmal eine Live-CD rausbringen. Aber wir gehen nicht ins Studio und nehmen unser Live-Programm auf.

Die CD "Chronisch" klingt stellenweise eben doch ein wenig nach Rock. Wobei, so richtig rocken tut eigentlich nur Gitarrist Many Maurer (Anmerkung: kommt als Krokus-Gitarrist schliesslich auch vom Fach).

Ja, man könnte es als rockiges Liederalbum bezeichnen. Live finde ich lässig, wie wir es machen. Aber auf der CD ist mir das irgendwie einfach zu wenig.

Ist ein Gedanke dabei auch, am Radio gespielt zu werden?

Es ist natürlich schon so, wenn etwas in der Art produziert ist, wie es auf "Schotter" oder "Chronisch" klingt, hast du mehr Chancen, dass ein Song auch bis zum Schluss gehört wird.

Findet das Pfannestil Chammer Sexdeet am Radio statt?

Bei DRS 1 werden wir ab und zu gespielt, sonst aber nicht.

Das ärgert dich?

Was soll ich da sagen? Wenn man nicht gespielt wird, muss man auch nicht so als Projektionsfläche herhalten. Dann bist du nicht der, der vom Radiomoderator gefragt wird: Und, wo ist der nächste Hit? Morgen sicher schon wieder etwas Neues und Sauglattes! Man kennt dich nicht so, und so kannst du immer entdeckt werden. Das ist immer gut. Du brauchst dich nicht von den Erwartungen des Publikums stressen zu lassen.

In welcher Tradition sieht du deine Lieder? Wo sind deine Wurzeln?

Die Lieder von Mani Matter waren die ersten zeitgenössischen Songs, die ich gehört habe. Mein Vater hat jeweils am Abend oder am Sonntagnachmittag Gitarre gespielt und Mani-Matter-Lieder gesungen. Die textliche Genauigkeit, die Treffsicherheit, das ist mir extrem eingefahren, das habe ich sehr bewundert. Das Dialektische, das Matter hat. Es ist so, es ist aber auch so, hmm... Daraus einen Song zu machen, das ist eine Kunst, die ich sehr bewundere. Diese Ecke des Liedermachertums hat mich immer fasziniert.

Wann hast du mit Schreiben angefangen?

Ich habe mit 12 angefangen, mit der Ukulele. Da waren meine Finger eben noch zu klein für die Gitarre. Wir hatten schon bald eine Schülerband, mit der wir eigene Lieder spielten. Ich habe nie in einer Band gespielt, wo englisch gesungen wurde. Als Kind wollte ich eigentlich schon ein berühmter Rockstar werden, aber ich habe nie etwas dafür getan (lacht).

Hast du gedacht, das passiert einfach irgendwann?

Wie man sich so Sachen halt zusammenträumt. Einmal werde ich ganz toll sein und im Bravo erscheinen.

War das für dich immer eine Selbstverständlichkeit, in Züritüütsch zu texten?

Das war es für mich immer. Ich habe selber nie Coverversionen gespielt. Wenn ich englisch gesungen habe, dann immer in einem karikierenden Sinn. Man hört häufig, Züritüütsch sei eine unmögliche Sprache. Es kommt extrem drauf an, wie du die Texte schreibst. Du musst sehr gut auf den Klang achten, gut aufpassen, welche Wörter du nimmst und welche tabu sind. Sonst machst du mit diesem Züri-Schnure-Ding den Song kaputt. Das Wie ist entscheidend. Es gibt Sachen in Züri-tüütsch, die mich dermassen ärgern. Da kann ich manchmal nicht zuhören.

Nenn Namen!

Nein! Und dann all jene, die neuerdings rappen müssen, weil das eben in ist. Meistens steckt nicht mehr im Text als schon gesagt ist. Deshalb ist es für mich auch keine Poesie. Das macht es für mich aus: Wenn du mit dem, was du lesen kannst, nur die Hälfte gesagt hast, wenn eben mehr dahinter steckt.

Was hast du gegen Rap beziehungsweise HipHop? Ist es vielleicht nicht so, dass heute der HipHop teilweise die Funktion oder die Rolle der Liedermacher übernommen hat? Dort läuft einiges, das wir vielleicht gar nicht so wahrnehmen. Sprachlich jedenfalls gibt es dort viele interessante Sachen.

Das sagt man immer. Ich glaube, ich habe jetzt langsam genug Artikel gelesen und Sendungen gesehen, die vom Potential des HipHops berichten. Ich glaube, es ist ein vorübergehendes Phänomen. Das ist wie die Haarsprayfrisuren, ehrlich. Ein bisschen Geduld und die Sache ist wieder weg. Aber wir nehmen das mit, was wir aus der Rap-Geschichte gelernt haben und bauen es ein. Ich frage mich immer: Warum ist der Liedermacherstil, das Songwriting so beständig. Wie ein Song funktioniert, wie man eine Geschichte in drei Minuten erzählt, wie man das musikalisch löst, das ist immer etwa gleich.

Du bist sehr konservativ....

Ja, das sind eben bleibende Werte (lacht).

Wenn man die Entwicklung der populären Musik betrachtet, stellt man fest, dass die Stimme fast die letzte Bastion einer gewissen Natürlichkeit und "Menschlichkeit" war. Jetzt wird auch die Stimme mit neuen Geräten und mit Elektronik der Maschine angeglichen oder sogar von dieser übernommen. Mir scheint, der Gitarre spielende Sänger ist einerseits ein Archetyp, gehört aber trotzdem einer aussterbenden Gattung an.

Ich glaube das nicht. Gerade weil es so etwas Archetypisches ist, bleibt es etwas, das uns immer begleiten wird. Der gottverdammte Troubadour ist einfach nicht totzukriegen! Ich würde mal sagen: Warten wirs ab. Werden wir beide noch ein bisschen älter. Mit 77 lehnen wir uns dann zurück und blicken auf die Welt. Ich glaube, wir werden noch einige Songwriter sehen, die einfach mit der Klampfe dastehen und etwas zu sagen haben. Der Song hat, ähnlich wie das Märchen, eine Funktion. Vielleicht klingt der Song im Lauf der Geschichte mal so oder anders, aber er hat seine Aufgabe. Das Lied ist das, was die Kinder singen wollen, eine Geschichte, die erzählt wird, eine gebündelte Aussage, etwas, woran man Freude hat, wovor man Angst hat. Das Lied hat eine Aufgabe und wird deshalb auch nicht aussterben.

 

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